Werbeaussagen wie „umweltfreundlich“, ‘kompostierbar’ oder ‘plastikfrei’ klingen vielversprechend, die Realität sieht leider meist anders aus! „Oft handele es sich um Einweg-Produkte, die komplett unnötig seien oder für die es längst umweltfreundlichere Mehrwegalternativen gebe“, so die DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz.
Die Entsorgung nahezu aller Bioplastik-Produkte in der Biotonne ist flächendeckend bis auf wenige Ausnahmen in Deutschland verboten. Nur etwa 5 Prozent aller Sammelgebiete lassen die sogenannte kompostierbare Plastiktüte in der Biotonne zu. Die als „kompostierbar“ beworbenen Produkte zersetzen sich nur teilweise oder gar nicht in den industriellen Kompostierungsanlagen. Die Folge: Sie können den Kompost mit Plastikresten verunreinigen. Für alle weiteren Produkte aus Bioplastik wie Kaffeekapseln oder Besteck gilt ein bundesweites Verbot für die Entsorgung in der Biotonne.
Angesichts dieser Tatsachen stellt sich die Frage, ob ein Werbeverbot zur Kompostierbarkeit von Bioplastik-Verpackungen und -Produkten einzuführen ist.
RTL-Nachhaltigkeitswoche zum Thema „nachhaltiges Kaufen“
Nach den Schwerpunkten Plastikmüllreduzierung (2019), Lebensmittelverschwendung (2020), Wasserknappheit (2021) sowie Energie & Mobilität (2022) konzentriert sich der Privatsender im Jahr 2023 auf den Themenbereich „nachhaltiges Kaufen“. Der Privatsender beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, ob Aufdrucke wie „kompostierbar“ und „umweltfreundlich“ auf Produkten aus Bioplastik eine Werbelüge darstellen und somit als klassische Form des Greenwashings bezeichnet werden sollten.
Die zentralen Fragen der RTL-Nachhaltigkeitswoche:
- Muss ich auf jeden Fall verzichten, wenn ich versuche, nachhaltiger zu leben?
- Was kann ich als Einzelperson überhaupt ausrichten?
- Und in welchen Bereichen des täglichen Lebens ist es am einfachsten, den ersten Schritt in Richtung besserer Planet zu machen?
Unser gemeinsamer Abbauversuch mit dem Verband der Humus- und Erdenwirtschaft e. V. soll eine Antwort auf die Frage liefern, ob die Aufschrift „kompostierbar“ auf diversen Produkten aus Bioplastik der Realität standhält.
Abbauversuch „kompostierbarer Produkte“: Versuchsaufbau
Am 26. September haben wir zusammen mit dem RTL-Redakteur Ingo Wickop und Dr. Martin Idelmann, Vorsitzender des VHE e.V, diverse als „kompostierbar“ deklarierte Produkte in die Kompostierung gegeben. Eine repräsentative industrielle Kompostierungsanlage in Nordrhein-Westfalen wurde für diesen Versuch ausgewählt.
Im Abbauversuch wurden folgende Produkte getestet:
- Bio-Zugbeutel, kompostierbar, Made in Germany
- Bio-Müll-Folienbeutel, kompostierbar
- Papierbecher grün, kompostierbar
- Papierbecher braun, kompostierbar
- Kaffeekapseln aus Bioplastik, kompostierbar
- Kurze Gläser aus Bioplastik, kompostierbar
Die Proben wurden mit Hilfe eines Kartoffelsacks inkl. rotem Absperrband in die Rottebox eingetragen. So wird sichergestellt, dass sich die Proben nach der Rottezeit von ca. 3 Wochen wiederfinden lassen. Die Box wurde geschlossen. Am 13. Oktober wird die Box geöffnet.
Ergebnis des Abbauversuchs
Am 13. Oktober haben wir die Boxen geöffnet. Dank unserer Kennzeichnung mittels Absperrband waren die Proben relativ schnell zu finden. Ingo Wickop und Dr. Martin Idelmann haben die Proben entnommen und alle Bestandteile auf die Schaufel des Radladers gegeben. Alle Proben – angefangen vom Bio-Zugbeutel, kompostierbar, über die Bio-Müll-Folienbeutel bis hin zu den kompostierbaren Kaffeekapseln und den „kompostierbaren“ Pappbechern waren schnell zu finden. Der Abbau ist hier definitiv innerhalb der 17 Tage Kompostierung nicht erfolgt.
Nicht zu finden: Die kurzen PLA-Gläser. Auch nach längerem Suchen haben die beiden Männer keine Rückstände der „kompostierbaren“ Gläser gefunden. Laut der Einschätzung von Dr. Idelmann seien die „Bioplastik-Gläser“ bei den hohen Temperaturen geschmolzen.
Fest steht, dass mit Ausnahme der Schnapsgläser keines der getesteten Produkte in der industriellen Kompostierung funktioniert hat. Besonders auffällig war dabei, dass sich der Bio-Zugbeutel kompostierbar made in Germany kaum zersetzt hat. Er war noch vollständig erkennbar.
Fazit des Versuchs: Sind „kompostierbare“ Produkte eine Werbelüge?
Die Frage, die sich uns stellte, war, ob die Aufschrift „kompostierbar“ eine Art Werbelüge ist und als Greenwashing bezeichnet werden kann. Wikipedia erklärt den Begriff „Greenwashing“ folgendermaßen: Beim Greenwashing werden Techniken der Öffentlichkeitsarbeit, der Rhetorik und der Manipulation benutzt, um einem Unternehmen, seinen Produkten oder Aktivitäten eine positive Wahrnehmung zu verschaffen (umgangssprachlich: „weiße Weste“).
Abgesehen von den Schnapsgläsern aus PLA haben sich alle Produkte nicht zersetzt. Das bedeutet, dass die verwendeten Aufschriften „kompostierbar“ und „umweltfreundlich“ als klassische Werbelüge zu klassifizieren sind. Es handelt sich dabei um eine Manipulationstechnik, die die Produzenten nutzen, um ihren Produkten eine „weiße Weste“ zu verschaffen.
Besorgniserregend ist vor allem, dass es sich bei den Pappbechern und den kurzen Gläsern aus Bioplastik um Wegwerfprodukte handelt. Nach Einschätzung der DUH setzen Produzenten vor allem auf Bioplastik, um unter einem grünen Deckmantel den massenhaften Verkauf von unnötigen Wegwerfverpackungen und kurzlebigen Einweg-Produkten fortzusetzen (vgl. https://packaging-journal.de/greenwashing-werbeaussagen-biokunststoffen/ )
Ist Bioplastik eine Lösung für die Zukunft:
Ebenso wenig wie die vermeintliche Kompostierbarkeit von Bioplastik-Verpackungen und -Produkten ist deren Herstellung aus nachwachsenden Rohstoffen eine umweltfreundliche Lösung. Häufig werden zur Produktion von “pflanzenbasiertem” Bioplastik Nutzpflanzen aus landwirtschaftlichen Monokulturen verwendet. Der RTL-Bericht unterstreicht diese Tatsache.
Fossil basierte Kunststoffverpackungen und -produkte werden gegen Verpackungen aus Bioplastik ausgetauscht. Man bewirbt diese Verpackungen als ‘pflanzenbasiert’ oder gar ‘plastikfrei’. Das betrifft völlig unnötige Tomatenverpackungen bei Kaufland oder Einweg-Windeln von Marktführer Pampers. Chemisch gilt jedoch: Bioplastik bleibt Plastik.
Es fällt dabei kein Gramm weniger Abfall an. Umweltbewusste Verbraucherinnen und Verbraucher sollten sich nicht an der Nase herumführen lassen und stattdessen möglichst Abfälle vermeiden und Mehrwegalternativen verwenden.
Zu diesem Schluss kommt auch der RTL-Beitrag von Ingo Wickop.
Wir danken allen Beteiligten, insbesondere dem RTL- Redakteur Ingo Wickop, für sein Engagement in dieser nicht leichten Thematik. Danke, lieber Ingo, dass du uns hilfst, Verbraucher*innen aufzuklären. Gemeinsam können wir mehr erreichen.
Euer Team von #wirfuerbio.
Der Abbauversuch in Bildern
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