Status quo: Wie steht es um den Biomüll in Deutschland?

Aktuelles / 22. März 2021 / Lesedauer 5 Minuten

Aufgereihte Mülltonnen an Hauswand

Speisereste und Gemüseschalen, Kaffeefilter und Teebeutel, Rasenschnitt. All das landet in der Biotonne. Zwar ist bereits seit 2015 im Kreislaufwirtschaftsgesetz geregelt, dass diese Bioabfälle getrennt gesammelt werden sollen, umgesetzt haben die Vorgabe aber längst nicht alle Kommunen. Wie gut ist Deutschland in Sachen getrennter Bioabfallsammlung wirklich?

Biomüll kann mehr und wird „Grüne Energie“

Biomüll lässt sich vollständig weiterverarbeiten und birgt damit ein großes Potential. 2015 gab es in Deutschland 1.392 Anlagen zur Verwertung von Biomüll.
In industriellen Kompostierungsanlagen wird aus unseren biologischen Abfällen torffreier Biokompost hergestellt. Durch die Nutzung dieses natürlichen Düngemittels kann in der ökologischen Landwirtschaft und im eigenen Garten auf konventionelle, torfhaltige Erden verzichtet werden. Mit dem Verzicht auf Torf setzen wir uns aktiv für den Schutz der Moore ein und damit auch für den Klimaschutz. Außerdem fördert Biokompost die Humusbildung im Boden, hält ihn fruchtbar und begünstigt das Wachstum der Pflanzen.

In Biomüll steckt aber noch viel mehr: In den 297 Biogasanlagen in Deutschland – auch Vergärungsanlagen genannt – wird aus den biologischen Abfällen klimafreundliches Biogas gewonnen. Dieses Biogas wird wiederum in Strom und Wärme umgewandelt. Da Biomüll anders als fossile Brennstoffe nicht endlich ist, zählt die daraus gewonnene Energie zur „Grünen Energie“. Sie steht damit auf einer Stufe mit Energien aus Solar- und Windkraftanlagen. Und selbst aus den Gärresten, die als Abfallprodukt bei der Biogasgewinnung anfallen, kann wieder Kompost werden.

Luftbild einer Bioabfallbehandlungsanlage

Bioabfallverwertung im Kreis Pinneberg
In der Bioabfallbehandlungsanlage in Tornesch werden pro Jahr etwa 38.000 Gewichtstonnen Bioabfall verarbeitet. Daraus entstehen rund 13.000 Tonnen Kompost für die Landwirtschaft und rund 4250 MWh Strom. Damit können etwa 1000 4-Personen-Haushalte mit grüner Energie versorgt werden.

Bioabfallverwertung in Lübeck

Nicht nur im Kreis Pinneberg weiß man den Biomüll zu nutzen, auch Lübeck geht mit gutem Beispiel voran und zeigt, wie wertvoll der Bioabfall der Stadt ist. In den rund 41.000 Lübecker Biotonnen werden jährlich etwa 15.600 Gewichtstonnen Bioabfälle gesammelt. In der Bioabfallbehandlungsanlage vor Ort werden diese Abfälle gemeinsam mit 40.000 Tonnen Bioabfällen der umliegenden Kommunen zu 100 Prozent CO2-freiem Biostrom und Biokompost verarbeitet. Dabei wird so viel Strom erzeugt, dass damit bis zu 2.200 Vierpersonenhaushalte mit grüner Energie versorgen werden können. Der Biokompost versorgt zudem circa 900 Hektar Ackerfläche in und um Lübeck mit wertvollen Nährstoffen. Durch den begünstigten Verzicht auf nitratreiche Dünger können jährlich 5.000 Milligramm CO2 gespart werden.

Gezeichnete Infografik zu Lübecks Bioabfallverwertung
Problemfall Mülltrennung

Obwohl Biomüll offensichtlich ein wichtiger Rohstoff ist, kann er nur nach richtigem Trennen fachgerecht weiterverarbeitet werden. Leider gibt es bei der Mülltrennung in Deutschland immer noch große Probleme – oder salopp formuliert – „Rückstände“. Wir werfen hierzulande nicht nur zu viel weg – der Gesamtabfall pro Kopf und Jahr liegt in Deutschland laut Angaben der Süddeutschen Zeitung  fast 150 Kilogramm über dem EU-Durchschnitt –, es wird zusätzlich auch noch schlecht getrennt. Wertvolle Rohstoffe werden dadurch unbrauchbar. Das ist beim Biomüll besonders tragisch.

Bananenschale, Kaffeesatz und verdorbene Lebensmittel werden häufig unverpackt oder mit Störstoffen verunreinigt in die Biotonne gegeben oder landen fälschlicherweise gänzlich in der Restmülltonne. Hier verkommt das Potenzial, da der Inhalt der Restmüllbehälter thermisch verwertet und damit einfach verbrannt wird. Die Produktion von Biokompost und Biogas findet also nicht statt. Nach Angaben des Recyclingmagazins werden fast sechs Millionen Tonnen Biomüll jährlich über den Restmüll entsorgt. Mit 39 Prozent macht der Biomüll einen größeren Anteil in den Restmülltonnen aus als Restmüll selbst, der nur zu 32 Prozent in den Tonnen zu finden ist. Von möglichen neun Millionen Tonnen Bioabfall werden in Deutschland pro Jahr nur 4,6 Millionen Tonnen verwertet. Mit der vergeudeten Rohstoffmenge könnte so viel Heizenergie produziert werden, dass eine Stadt mit einer halben Millionen Einwohner für ein Jahr mit Wärme versorgt werden könnte. Das zeigt deutlich: Biomüll ist viel zu kostbar, um so verschwendet zu werden.

Verschiedene Abfälle auf Boden verteilt

Restmüllanlieferung im Kreis Dithmarschen: In der Restmülltonne befinden sich im Bundesdurchschnitt knapp 40 Prozent Biomüll. Das ist eine erschreckende Quote, die sich dringend verbessern muss.

Falsch verstandene Werbeversprechen

Doch warum wird die Mülltrennung in Deutschland immer noch nicht korrekt durchgeführt? Die Ursache des Problems lässt sich nur zum Teil auf den Bürger selbst zurückführen, der entweder aus Bequemlichkeit oder auf Grund mangelnder Aufklärung nicht richtig trennt. Viele Bürger werden beispielsweise durch falsch verstandene Werbeversprechen in die Irre geleitet und entsorgen ihre Bioabfälle in sogenannten kompostierbaren Plastiktüten. Diese gehören jedoch – wie normale Plastiktüten in den meisten Regionen – nicht in den Biomüll, da sie sich viel langsamer zersetzen als ihr Inhalt.

Fehlende Bioabfallsammlung trotz Kreislaufwirtschaftsgesetz

Ein weiteres Problem ist, dass in einigen Städten und Landkreisen die Einführung der Getrenntsammlung nur sehr langsam vorankommt. Der Landkreis Cuxhaven und der Landkreis Karlsruhe haben zum Beispiel erst in diesem Jahr die getrennte Bioabfallsammlung eingeführt. Selbst wenn die Bürgerinnen und Bürger zum korrekten Trennen bereit sind, fehlt vielerorts schlichtweg die Möglichkeit – und das trotz des seit 2015 bestehenden Kreislaufwirtschaftsgesetzes.

Dieses besagt, dass Landkreise und Städte ihren Einwohnern eine getrennte Sammlung der Küchen- und Grünabfälle ermöglichen müssen. Das Unterfangen soll vom jeweiligen Bundesland kontrolliert werden. Seit fünf Jahren kommt die Umsetzung nur schleppend voran: In einer Erhebung vom Naturschutzbund Deutschland aus dem Jahr 2018 wurde ermittelt, dass immer noch 72 Landkreise und kreisfreie Städte keine flächendeckende Biotonne angeboten haben. Dabei ist die Pflicht zur Biotonne besonders in Städten längst überfällig. Dort ist die Fehlbefüllung der Tonnen besonders stark. Entsorgungsbetriebe und Kommunen müssen gemeinsam ein besseres System finden, um den Menschen das Trennen leichter zu gestalten.

Das Biotonnenangebot sieht in 2021 so aus:

Infografik zur Biotonnen-Verbreitung Deutschlands

Die Landkreise Karlsruhe, Cuxhaven, Vulkaneifel, Schwalm-Eder-Kreis haben erst in 201 die getrennte Bioabfallsammlung bzw. die Biotonne eingeführt. Nicht jede Kommune hat eine Pflichttonne eingeführt, sondern besondere Systeme, wie zum Beispiel das Bringsystem. Eine genaue Karte liefert der NABU.

Was muss sich ändern

Informationskampagnen können jedoch nicht die einzige Lösung des Problems sein, wenn es in direkter Umgebung der Bürger keine praktikable Möglichkeit zum korrekten Trennen gibt. Kampagnen können Probleme zwar aufzeigen, aber die Störstoffe im Biomüll selbst nicht reduzieren. Dafür braucht es Menschen, die ihr Verhalten ändern und dafür sorgen, dass Biomüll in Zukunft in der richtigen – nämlich in der Biotonne – landet. Doch nicht nur bei den Bürgerinnen und Bürgern muss sich etwas verändern, auch Entsorgungsunternehmen und Kommunen sind gefragt.

Städte und Landkreise müssen Initiative zeigen und ihren Bürgerinnen und Bürgern einfacheres Trennen ermöglichen, damit das Potential von Bioabfall genutzt werden kann. Laut einer Analyse des Umweltbundesamts sinkt der Anteil an Biomüll in der Restmülltonne dort, wo eine eigene Biotonne zur Verfügung steht.
Landet der Biomüll dann in der richtigen Tonne, muss er frei von Störstoffen gehalten werden. Dafür ist neben strukturellen Änderungen eben auch Aufklärungsarbeit nötig. Die #wirfuerbio-Kampagne setzt genau an diesem Punkt an. Gestartet als Idee im Jahr 2017 mit sieben Abfallwirtschaftsbetrieben aus Norddeutschland, ist #wirfuerbio heute die größte Umweltkampagne kommunaler Unternehmen in Deutschland. #wirfuerbio hat in ganz Deutschland mehr als 60 Teilnehmer, Tendenz steigend. Gemeinsam können wir etwas bewirken.