Bioplastik – (k)eine Alternative?

Wissen / 28. Juni 2019 / Lesedauer 5 Minuten

In Plastik verpacktes Gemüse

Ob Kaffeekapseln oder Müllbeutel: Überall liest man mittlerweile „100 % kompostierbar“. Das sogenannte Bioplastik klingt nach einer Alternative zu herkömmlichen Kunststoffen. Endlich kein schlechtes Gewissen mehr, denn Kompostierbares darf in die Biotonne. Falsch! Dieser Beitrag zeigt, warum „biologisch abbaubarer“ Kunststoff nichts in der Biotonne verloren hat.

Plastik ist überall. Gibt es Alternativen?

Gestapelte Müllballen und Radlader

Ob als Verpackung, in unseren Möbeln oder in Drogerieprodukten: Plastik bestimmt unseren Alltag. Und das nicht ohne Grund. Es ist außerordentlich günstig, vielseitig verwendbar und hält ewig. Sehr zum Leidwesen der Natur. Denn herkömmliche Kunststoffe werden aus fossilen Rohstoffen hergestellt und können in der Natur nicht abgebaut werden. Mit der Zeit zerbrechen die Plastikteile in immer kleinere Teile, bis sie als Mikroplastik in den Ozean gelangen und sich dort in Lebewesen anreichern. Spätestens seit Tier- und Umweltschützer tonnenweise Plastik in toten Meeresbewohnern finden und die Strände voll von Mikroplastik sind, ist die Diskussion um Plastik und mögliche Alternativen entbrannt. Und trotzdem ist die Tendenz der Plastikproduktion laut einer Reportage der ARD mit dem Titel „Kampf gegen die Plastikflut“ steigend.

Biokunststoffe: Eine Chance für die Zukunft?

Eine Alternative zu umweltschädlichem, aus Erdöl bestehendem Plastik? Kaum in Sicht! Naja, zumindest fast nicht. Seit einigen Jahren werden vermehrt sogenannte Biokunststoffe hergestellt. Sie werben mit Botschaften wie „Maisstärke, Produkte aus Zuckerrohr oder Cellulose und 100 % biologisch abbaubar“. Plastik aus Pflanzen und biologisch abbaubar zu produzieren, klingt nach einer äußerst nachhaltigen Idee, oder? Aber sind Biokunststoffe wirklich DIE Lösung? Lasst uns einen genaueren Blick darauf werfen.

Dichtes Maisgrün

Was bedeutet Biokunststoff? Eine kleine Erläuterung

Im Supermarkt wissen wir, wofür Bio steht: Für Lebensmittel aus biologischem Anbau. Bei Biokunststoff wird die Sache schon etwas komplizierter. Denn „Biokunststoff“ und „Bioplastik“ sind keine geschützten Begriffe. Das heißt, was genau sich dahinter verbirgt, kann der Produzent selbst festlegen.
Gemäß der Definition des Umweltbundesamtes müssen Biokunststoffe entweder:

  • ganz oder teilweise aus Biomasse hergestellt, aber nicht bioabbaubar sein,
  • nach den Vorgaben anerkannter Normen bioabbaubar sein, oder
  • biobasiert und gleichzeitig bioabbaubar sein.

Biobasierte Kunststoffe: Was steckt dahinter?

Die Materialien, die am häufigsten für Biokunststoff verwendet werden, sind Stärke und Cellulose. Sie werden aus Mais, Zuckerrüben oder Holz gewonnen. Ein Manko hat die Produktion jedoch: Der Anteil der erneuerbaren Rohstoffe am Gesamtprodukt ist nicht definiert. Die Biokunststoffe müssen nicht vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden. Oft enthalten Biokunststoffe deshalb trotzdem noch 40 bis 70 Prozent fossile Rohstoffe. Der große Vorteil: Diese Produkte haben hinsichtlich der Stabilität und Haltbarkeit dieselben Eigenschaften wie die aus herkömmlichem Kunststoff. Beispiele für biobasierte Kunststoffe sind PE (Polyethylen) und PET (Polyethylenterephthalat). Die Hauptanwendung von PE sind Verpackungen und Folien. PET kennen wir bestens von der Herstellung von Kunststoffflaschen. Trotz verstärktem Recycling steigt die Produktion Jahr für Jahr. Waren es 2008 noch 40 Tonnen, stieg die Menge acht Jahre später bereits auf 56 Tonnen (vgl. Wikipedia-Eintrag zum Thema PET).

Biologisch abbaubare Kunststoffe
Ein Kunststoff, der in 90 Tagen zu mindestens 90 Prozent in Wasser, Kohlendioxid und Biomasse zerfällt, wird nach der DIN-Norm als biologisch abbaubar bezeichnet. Der Haken: Nur weil sie biologisch abbaubar sind, müssen sie nicht unbedingt aus nachwachsenden pflanzlichen oder tierischen Rohstoffen hergestellt sein. Sie können also auch aus fossilen Rohstoffen bestehen.

Wie gut sind Biokunststoffe für die Ökobilanz?
Alles bio? Nicht ganz! Biobasierte Kunststoffe sparen in der Herstellung und Entsorgung CO2. Und auch die Erdölvorräte werden im Produktionsprozess geschont. Aber: Biobasierte Kunststoffe benötigen für den Anbau der Rohstoffe wie Mais, Kartoffeln oder Zuckerrohr auch Erdöl, zum Beispiel für die Herstellung von Diesel und Düngemitteln. Den größten Nachteil für die Ökobilanz kennt man aus den Diskussionen über Biosprit. Kunststoff, der auf Mais, Kartoffeln, Weizen oder Zuckerrohr basiert, benötigt wertvolle Ressourcen, die bei der Produktion von Nahrungsmitteln fehlen.

Und wie sieht das bei den biologisch abbaubaren Kunststoffen aus?
Bei Anbau und Verarbeitung werden nach wie vor fossile Energieträger wie zum Beispiel Erdöl und Erdgas verbraucht. Eine Untersuchung des Umweltbundesamtes kam zu dem Ergebnis, dass Verpackungen aus biologisch abbaubaren Kunststoffen in den Ökobilanzen deshalb keine Vorteile gegenüber konventionellen Kunststoffen aufweisen würden.  Und wie sieht es mit der Entsorgung aus?

Die Entsorgung: Wohin mit Bioplastik?

Biologisch abbaubare Kunststoffe kommen in den Kompost. Das sollte man zumindest denken, oder? Dennoch wird er in den meisten Kompostierbetrieben aussortiert und verbrannt. Moderne industrielle Anlagen benötigen vier Wochen, um Bioabfälle zu zersetzen – für den Abbau der Tüten braucht es jedoch deutlich mehr Zeit. In der NDR-Reportage wird gezeigt, wie aufwendig der Aussortierprozess des Plastikmülls ist: In mehreren Schritten wird das Plastik mit verschiedenen Maschinen und unter Verwendung modernster Technologien aus dem Bioabfall aussortiert. Hierbei gibt es zunächst keinen Unterschied zwischen herkömmlichem und „biologisch abbaubarem“ Plastik. Rein optisch lassen sich die Säcke kaum unterscheiden. Die Kosten für diese aufwendige Aussortierung zahlen die Bürger über die Müllgebühren.

Auch der heimische Kompost im Garten kann diese Kunststoffe nicht abbauen, da schlichtweg die benötigte Temperatur von 60 Grad fehlt. Das Umweltbundesamt bezeichnet Biokunststoffe deshalb als eine „Mogelpackung“.

Aber wohin mit dem Bioplastik?
Der Anteil der kompostierbaren Materialien im Hausmüll ist aktuell noch zu gering, als dass man eine separate Entsorgungsform für Biokunststoffe anbietet. Deshalb ist die Restmülltonne derzeit die beste Variante. Hier hat dann Bioplastik aus nachwachsenden Rohstoffen Vorteile. Bei der Müllverbrennung setzt es nämlich nur so viel COfrei, wie die für den Rohstoff verwendete Pflanze beim Wachsen aufgenommen hat – also viel weniger als bei herkömmlichem Plastik. Da sie sich beim Abbau wie bei der Verbrennung in COund Wasser auflösen und keine wertvollen Bodenbestandteile bilden, schneidet die energetische Verwertung – das Verbrennen in der Müllverbrennung also – sogar besser ab.

Kompost-Sortiermaschine in Bewegung

Bioplastik – eine Alternative? Unser Fazit

Plastik gehört nicht in die Biotonne. Das gilt gleichermaßen für sogenannte „kompostierbare oder biologisch abbaubare“ Beutel. Natürlich hat der biobasierte und abbaubare Kunststoff Vorteile: Er wird anteilig aus erneuerbaren Rohstoffen hergestellt und setzt bei der Müllverbrennung weniger COfrei. Trotzdem ist der Begriff „biologisch abbaubar“ nicht zielführend, möglicherweise gar irreführend. Die Umschreibungen „kompostierbar“ oder „biologisch abbaubar“ suggerieren dem Verbraucher, er könne diese Kunststoffe zusammen mit seinen Bioabfällen entsorgen. Unser Fazit: Für den Biomüll und die Biotonne ist Bioplastik leider keine Alternative.

Zwei Hände halten Kompost